Gesundheitsökonomie ist Trumpf!

Interview mit PHARMAustria und Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klech

13.12.2022

Faktenbasierte Bewertung von Gesundheitsmaßnahmen ist DER Schlüssel zum Market Access innovativer Medikamente, ist Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klech, Managing Director der Vienna School of Clinical Research, Public Health and Medical Education (VSCR), überzeugt.

Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klech, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie, gründete nach erfolgreicher internationaler akademischer Karriere und Positionen im internationalen R&D-Management im Jahr 2000 die Vienna School of Clinical ­Research (VSCR), ein unabhängiges Fort- und Ausbildungszentrum in enger Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und anderen internationalen Universitäten. Klech fordert alle Player des Gesundheitswesens auf, Gesundheitsökonomie in ihre Entscheidungen miteinzubeziehen. Mehr dazu erzählt er im Interview.

PHARMAustria: Was versteht man unter Health Outcome Research?

Univ.-Prof. Dr. Heinrich Klech: Health Outcome Research (HEOR) ist die systemische Ergebnisforschung von Gesundheitsmaßnahmen bei Patient:innen und Populationen sowie hinsichtlich der Auswirkungen auf ein Gesundheitssystem durch eine ­Synthese von medizinischen und ökonomischen Mess- und Beurteilungsparametern. Die sogenannte Pharmaökonomie ist dabei ein wesentlicher Teil. Voraussetzung dafür ist die systematische Erfassung von medizinischen Patientendaten im ­Sinne einer Evidence-based Medicine bei gleichzeitiger Kenntnis der Kosten und ­Effizienz eines erfassten Gesundheits­systems.

Was kann durch HEOR erreicht werden?

Eine solche Datenerfassung über die Auswirkungen von Gesundheitsmaßnahmen wie z.B. Zugang zu einem neuen innovativen ­Medikament nennt man Health Technology Assessment (HTA). Diese systematische wissenschaftliche Methode liefert über die bekannten Eigenschaften wie Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Medikaments hinaus auch Ergebnisse über die Effizienz und Leistbarkeit eines neuen Medikaments in einem erfassten Gesundheitssystem, ermöglicht gesundheitsökonomische Vergleiche zu Alternativen und hilft so bei Entscheidungen über Maßnahmen wie z.B. Erstattung oder Nicht-Erstattung eines Medikaments. Im Übrigen gibt es in Österreich eine etablierte und ­europäisch vernetzte HTA-Einrichtung, das AIHTA (Austrian Institute for Health Technology Assessment), geleitet von Prof.in Dr.in Claudia Wild, mit Fokus auf Onkologie und Medical Devices.

Wieso ist eine solche systematische Bewertung wichtig?

HTA ist heute eine unverzichtbare wissenschaftliche Erfassung, da sie eine faktenbasierte Bewertung von Gesundheitsmaßnahmen innerhalb moderner Gesundheitssysteme ermöglicht.

Solche Maßnahmen können beispielsweise sein:

die Entscheidung, ein neues innovatives Medikament im Leistungskatalog einer Krankenversicherung aufzunehmen oder z.B. nur einem bestimmten Patientensegment zukommen zu lassen;

die Entscheidung, eine neue bildgebende Methode zu refundieren, welche andere Methoden ersetzen kann und letztlich auch ökonomisch sinnvoll ist.

HEOR und HTA integrieren sowohl medizinische als auch ökonomische Fakten und ermöglichen eine mehr holistische Betrachtungsweise von Gesundheitsmaßnahmen und -systemen und haben daher einen sehr wichtigen gesellschaftlichen Nutzen und Stellenwert. Allerdings wird dies derzeit durch die mangelnde Transparenz und Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten in Österreich nicht ausreichend unterstützt. Zudem sind auch die Kostenträger für medizinische Leistungen hierzulande zersplittert und haben oftmals nur die eigenen Budgettöpfe im Blick. Ich bin aber hoffnungsvoll, dass zumindest die Verknüpfung und die Transparenz der Daten in den nächsten Jahren besser werden, denn es ist mittlerweile allen Beteiligten klar, dass so Kosten reduziert und Prozesse verbessert werden könnten.

Was ist die Rolle der VSCR?

Die VSCR beschäftigt sich als Center of ­Excellence mit der Wissenschaft der Pharmaökonomie und hat über 2.000 Wissenschafter:innen/Student:innen aus über 40 Ländern mithilfe einer internationalen Faculty auf dem Gebiet der Gesundheits- und der Pharmakoökonomie aus- und fortgebildet – seit 2018 auch in einem gemeinsamen internationalen Diplomprogramm mit der Sigmund Freud Universität Wien. In den Diplomkursen erhält man das elementare Rüstzeug für die Erfassung und Interpretation von gesundheitsökonomischen Daten; in Workshops wird vermittelt, wie ein HTA-Dossier zusammengestellt wird und wie Verhandlungen mit verschiedensten Stakeholdern optimiert werden können. Die Teilnehmer:innen kommen vorwiegend aus der Industrie. Die VSCR-Diplommodule wenden sich an Market-Access-Spezialist:innen, Country Manager, Key Account Manager, Medical Affairs und Regulatory. Daneben gibt es Teilnehmer:innen aus universitären Einrichtungen sowie aus Gesundheits­behörden und -ministerien. Zudem organisiert die VSCR als gemeinnützige GmbH auch nationale und internationale Kurse ­sowie akkreditierte Fortbildungsveranstaltungen für Ärzt:innen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: PHARMAustria | PA 04|2022 | Gesundheitsökonomie ist Trumpf!

https://www.medmedia.at/pharm-austria/gesundheitsoekonomie-ist-trumpf/

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